Erläuterungen für die Betrachtung des Archivs des VfB 97 Dresden:


Der Bowlingsport in der DDR war in den Jahren ab 1958 eine Angelegenheit für Enthusiasten, die ab 1960 besonderen Auftrieb erhielt, als international Bemühungen im Gange waren, den Kegelsport im Allgemeinen in den Rang einer olympischen Sportart zu berufen.
Die DDR-Führung suchte nach jedem Strohhalm, internationale Anerkennung zu erfahren und da kamen ihr Medaillen ihrer Sportler auf internationalen Bühnen, bei Olympia, bei Welt- oder Europa-Meisterschaften sehr gelegen. So bekam Dresden u.a. eine Kegelsporthalle neben das Heinz-Steyer-Stadion gebaut, in der 4 Asphalt- und 2 Bowlingbahnen Platz fanden. Im Bautzner Keglerheim (der Weltmeisterschaftshalle der Asphaltkegler von 1959) lagen schon 2 Bowlingbahnen (eingerahmt durch je vier Asphaltbahnen links und rechts) und in Annaberg-Buchholz hatten begeisterte Bowlingsportler auch 2 Bowlingbahnen aufgetrieben.
Das war das "Kapital" der Bowlingsportler Sachsens bis 1972, als im Keglerheim Bautzen die dritte und vierte Bowlingbahn hinzukam. Die dann vorhandenen 8 Bahnen blieben bis 1992 die Grundlage für den Bowlingsport in Sachsen.
In Dresden und in Halle wurden 1960 die beiden Sportclubs beauftragt, mit jungen Sportlern auch im Bowlingsport den Grundstein für eine erfolgreiche Nationalmannschaft auf internationalem Parkett zu legen. Musterbeispiel für erfolgreiches Bowlingspiel war der damalige Weltmeister Finnland, der zu Länderspielen in die DDR eingeladen wurde und von dem dann Film-Aufzeichnungen als Lehrbeispiele entstanden.
Vollkommen überraschend, aber als Ausdruck der ernsthaften Bemühungen der jungen Sportler in Halle und Dresden, gelang 1967 bei der 6. Europameisterschaft in Birmingham den Herren mit der 5er-Mannschaft der Vizemeistertitel. Als später erkannt wurde, dass die Chancen für den Kegelsport und damit auch für Bowling auf Olympia gegen Null tendierte, erlosch das Interesse der DDR-Führung an der Förderung dieser Sportart. Die Sektionen Kegeln wurden aus den Sportclubs ausgegliedert und in Betriebssportgemeinschaften überführt. Geblieben war ein beträchtlicher Zuwachs an jungen Bowlingsportlern und damit gedieh die Organisation des Spielbetriebes auf den wenigen Bahnen in Sachsen zu einem Kunstwerk.
Die Qualität der Holzbahnen in Annaberg, Bautzen und Dresden wies derart gravierende Unterschiede in der Oberflächenbeschaffenheit und Planlage auf, dass viel guter Wille dazu gehörte, die Ergebnisse miteinander zu vergleichen. Das wandelte sich noch aller zwei bis drei Jahre, wenn eine der Anlagen wieder einmal geschliffen und neu lackiert worden war. Eine weitere Tücke bildeten zusätzlich noch die Anläufe, die natürlich ebenfalls aus Holz und geschliffen waren. Es war daher keine Frage, etwa die Qualität der Spieler in einer Rangliste darzustellen. Der Mangel an Bahnen erforderte andere Regelungen, die Anzahl der Teilnehmer z.B. an den jährlichen Einzel- und Doppel-Meisterschaften einzuschränken. Das begann schon bei den DDR-Meisterschaften. Aus der obersten Spielklasse (Sonderliga Herren, Oberliga Damen) bekamen die zehn Besten aus der Mannschaftsmeisterschaft (heute Clubmeisterschaft) direktes Startrecht zur DDR-Einzelmeisterschaft. Aus der zweiten Ebene, der DDR-Liga, erhielten auch noch die drei Besten direktes Startrecht. Alle anderen Spieler der Bezirksebene hatten nur die Chance über die Bezirksmeisterschaft und einen Zulassungsschlüssel zur DDR-Meisterschaft zu kommen. Von den meisten der Bezirke mit Bowlingsport kam nur jeweils der Bezirksmeister in Frage, um z.B. den Rahmen von 24 Herren als maximale Zahl nicht zu überschreiten.
Das System der Ermittlung dieser Besten in den Staffeln hieß "Platzziffernsystem" und beruhte ganz einfach darauf, dass bei einem Spieltag z.B. 30 Spieler (6 Teams mit je 5 Spielern) antraten und deren Ergebnisse mit 15; 14,5; 14; 13,5; 13; 12,5 usf. bis 0,5 Platzziffern-Punkte bewertet wurden. Die Summe der Platzziffern-Punkte aus den sechs Spieltagen ergab die Rangfolge, die nicht in Schnitt je Spiel dargestellt wurde.
Ranglisten vor den Jahren 1996/1997 sind nachträglich konstruiert und unter Berücksichtigung dieser Bemerkungen zu werten.
Für den Bezirk Dresden abgeleitet ergab es sich, dass aufgrund der Bahnenknappheit im Land bei den Herren z.B. maximal 16 Starter zugelassen werden konnten. Es fanden daher vorher in den Kreisen Dresden-Stadt und Bautzen Qualifikationsrunden zur Ermittlung der Teilnehmer an den Bezirksmeisterschaften statt. Die Starteranzahl je Kreis richtete sich nach der Anzahl der Bowlingspieler in beiden Kreisen.
Ein weiteres Merkmal des Sports in der DDR war die kostenlose Nutzung städtischer Sporteinrichtungen. Mit der Wende und dem Beitritt zur BRD, der damit verbundenen Abwertung des Geldes und der Privatisierung der Sportanlagen einschließlich der nun notwendigen Nutzungsgebühren, verabschiedeten sich etwa 50% der Bowlingspieler und -innen vom Bowlingsport.
Das führte vor allem im Damenbereich dazu, dass keine reguläre Clubmeisterschaft ausgespielt werden konnte. In einigen Jahren (1995 bis 1997) wurden sogar in der unteren Klasse der Herren gemischte Mannschaften mit vereinzelten Damen der Clubs zugelassen, um ihnen auch die Teilnahme am Mannschaftsspielbetrieb zu ermöglichen.
Die Kalamität der krass unterschiedlichen Qualität der Bahnen im Land Sachsen führte dazu, dass die Landesmeisterschaften in den Einzeln und Doppeln auf Bahnen, die für die Clubmeisterschaft nicht genutzt werden konnten, ausgetragen wurden. Mehrmals war so der Bowlingtreff Leipzig (Bruno-Leuschner-Platz) und die Anlage in Markkleeberg Austragungsort. Dann bekam das günstigste Angebot den Vorzug und die Bowlingelite zog außer Landes, zum Beispiel nach Eisenhüttenstadt, oder in die Hasenheide nach Berlin.
Mit Eröffnung der Groß-Anlagen in Dresden (XXL und U.S.Play) 1996 begann eine neue Ära des Bowlingsports in Sachsen. Die Zeit des Heimvorteils war spontan vorbei, als die Spieler der SV Sachsenwerk beschlossen, ihre Heimspiele in der neuen Halle in Kaditz auszutragen. Es folgte der Boom zum heutigen Spielbetrieb und den heute üblichen Wettbewerben.

A. Schmidt - VfB 97 Dresden

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